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„Ich habe gen Wacken gekniet.“ - Powerwolf im Interview
Anlässlich der Veröffentlichung des neuen Powerwolf-Albums spricht Stefan aus dem Wacken-Team mit Keyboarder Falk Maria Schlegel über „Call Of The Wild“, Werwölfe in aller Welt, die Magie von Live-Musik und ihre Show bei Bullhead City – und versucht, ihm dafür ein Versprechen abzuringen.
Stefan: Herzlichen Glückwunsch zum Release von „Call Of The Wild“! Ihr veröffentlicht heute euer achtes Album – bist du an so einem Tag noch aufgeregt?
Falk Maria: Absolut! Ich bin sogar mit jedem Release aufgeregter. Jede Veröffentlichung ist ein Stück weit, wie wieder zum ersten Mal auf die Bühne zu gehen. Man hat anderthalb Jahre an diesem Album gearbeitet und das Gefühl, es von der Kette zu lassen und die ersten Reaktionen der Fans zu mitzubekommen, ist unheimlich aufregend. Ich freue mich immer darauf.
Du achtest also darauf, was die Leute zu eurer neuen Musik sagen? Wie gehst du mit Kritik um?
Ich richte mich da nach Steve Harris [von Iron Maiden], der mal sinngemäß gesagt hat: „Kritik ist vollkommen okay, so lange sie konstruktiv ist.“ Dennoch lese ich natürlich lieber positive Kommentare wie wir sie etwa für „Beast Of Gévaudan“ und „Dancing With The Dead“ bekommen haben. Die waren geradezu überwältigend gut. Nichtsdestotrotz sollte man sich ein Stück weit davon frei machen, zu sehr auf die Reaktionen zu achten. Wir schreiben das, was für uns die Kunst in Powerwolf ausmacht und ich denke, so ist uns mit „Call Of The Wild“ wieder ein wirklich kraftvolles Album gelungen. Das ist meiner Meinung nach auch bitter nötig in diesen Zeiten.
"Wir haben garantiert kein Progressive Metal-Album produziert."
Wie würdest du „Call Of The Wild“ im Vergleich mit seinen Vorgängern einordnen?
Ein jedes Album in der Diskografie einer Band ist wichtig, um dort hin zu kommen, wo sie jeweils steht. Das Vorgängeralbum „Sacrament Of Sin“ hat uns gezeigt, dass wir unseren Sound durchaus ein Stück erweitern können, etwa mit Balladen, keltischen Klängen oder hinsichtlich der Dynamik in den Songs. Das haben wir fortgeführt, aber natürlich auch unsere Trademarks beibehalten. Wer also Powerwolf mag, wird definitiv nicht enttäuscht. Wir haben aber auch hier wieder Anpassungen im Detail vorgenommen, etwa Strophen ein wenig zurückgenommen, damit der Refrain mehr knallt. Auf einer solchen Ebene bewegen wir uns. Um das ganz klar zu sagen: Wir haben garantiert kein Progressive Metal-Album produziert. Wir sind sehr froh, unseren ganz eigenen Sound kreiert zu haben und fühlen uns damit pudelwohl. Größere Veränderungen haben meiner Meinung nach nur Sinn, wenn sie den Song oder das Ganze nach vorne bringen. Veränderung um der der Veränderung Willen macht für mich kein gutes Lied.
Ihr habt das Album letztes Jahr geschrieben. Hat die angesprochen Arbeit an Details damit zu tun, dass ihr pandemiebedingt viel Zeit hattet, um an den Songs zu feilen?
Es war eine etwas seltsame Situation: Wir hatten ohnehin vor, im Frühjahr 2020 mit dem Songwriting zu beginnen, nach unserer Südamerika-Tour mit Amon Amarth. Die mussten wir vorzeitig unterbrechen, sind aus Mexiko zurückgeflogen und haben zunächst all das, was in der Welt passiert, sacken lassen müssen. Im Prinzip waren wir damit noch in unserem Zeitplan, nach dem sehr intensiven Live-Zyklus zu „Sacrament Of Sin“ wollten wir die klassische Pause einlegen und dann ans nächste Album gehen. Ich für meinen Teil war noch lange davon überzeugt, dass die Sommerfestivals stattfinden würden, da war ich etwas naiv. Als sich dann anderes abzeichnete, war die Erkenntnis, was das für die gesamte Musiklandschaft bedeuten würde, schon erschreckend. Da dachten wir uns: „Jetzt erst recht! Wir blenden diese Pandemie aus und legen noch mehr Power in die Platte.“ Das war erstens das einzige, was wir tun konnten, und zweitens hatte ich das Gefühl, dass unsere Fans das auch von uns erwarten. Oder besser gesagt: es verdienen. Wir wollten ihnen ein starkes Album um die Ohren hauen anstatt uns selbst leid zu tun. Natürlich gab es auch Tage, an denen die Nachrichtenlage das erschwert hat, da haben wir uns dann ganz bewusst in unsere Powerwolf-Höhle zurückgezogen.
„Call Of The Wild“ ist also nicht euer „Pandemie-Album“?
Genau, das wollten wir ganz bewusst raushalten. Das kann doch auch niemand mehr hören. Wir wollten aus diesem Jammertal raus und freuen uns, dieses Album am Start zu haben und mit den Leuten teilen zu dürfen. Das wollen wir transportieren.
Man kann sagen, ihr seid bei euren Themen geblieben: Werwölfe (im weitesten Sinne) und Kirche beziehungsweise Religion, oder?
Ja, kann man. Wir haben die Werwolf-Mythologien diesmal etwas stärker in den Fokus gerückt und haben dabei festgestellt, dass es dabei letzten Endes um Glauben, um Religion und die geschichtliche Annäherung daran geht. Das ist genau unser Thema. Da ist „Beast Of Gévaudan“ der Klassiker. Weniger das „Monster“ an sich, ob es nun ein Wolf, eine Hyäne oder etwas ganz anderes war, das weiß ja niemand so wirklich, was da in Südfrankreich im 18. Jahrhundert los war. Auf jeden Fall wurden hunderte Menschen getötet, es fanden sich Biss- und Kratzspuren. Die Armee wurde hingeschickt, Angst und Schrecken machten sich breit und irgendwann sagten dann die Kleriker: „Ja seht, ihr Sünder! Ihr habt nur fürs Diesseits gelebt anstatt fürs Jenseits und nun schickt uns Gott die Strafe!“ Das ist für uns natürlich gefundenes Fressen. Ich für meinen Teil möchte das dann auch gar nicht wissenschaftlich genau erklärt bekommen. Vermutlich ginge das bei diesem Beispiel sogar, wenn man ganz genau recherchiert. Das Faszinierende ist aber über etwas zu schreiben und zu singen, dass in einer solchen Fantasie-Welt passiert. Glücklicherweise gehen uns da die Ideen nicht aus. Wir haben festgestellt, dass Werwolf-Geschichten in Schweden stattfinden, in der irischen Tradition, wie wir sie in „Blood For Blood (Faoladh)“ besingen, es gibt den klassisch-rumänischen „Varcolac“ und noch einige mehr. Besonders schön ist dabei, dass uns viele Fans Geschichten aus ihren Heimatländern näherbringen. Die packen wir in unsere „Schatzkammer“ und holen sie heraus, wenn wir den passenden Song haben.
Wie geht ihr denn an die nähere Recherche zu Songthemen ran?
Für mich war Religionsgeschichte schon immer spannend. Ich fand das Thema immer eher gruselig und nicht sonderlich feierlich, daher wollte ich herausfinden, wo es herkommt. So Themen wie die Kreuzzüge und was sonst noch in diesem Kontext stattfand und -findet, der sich ja eigentlich auf das Gute beruft. Matthew [Greywolf; Gitarrist] und Attila [Dorn; Sänger] haben einen Bezug zu Mythologien, da kommt dann eins zum anderen. Ab da gilt es dann auch zu recherchieren, sich also nicht nur auf eine Sage zu verlassen. Das wäre zu einfach. Da muss man schon etwas tiefer gehen, auch tiefer als Wikipedia, da kommen zum Teil sonst wirklich die abstrusesten Geschichten bei raus. Für mich hat ein guter Text – sei es nun für einen Song oder etwa einen Roman – eben eine gewisse fundiert Basis. Unabhängig davon sage ich aber auch ganz bewusst: Du darfst unsere Songs auch einfach nur mitgrölen. Du musst dich nicht intensiv damit befassen. Ich bin niemandem böse, der diesen ganzen Überbau ignoriert, einfach nur mit uns unsere Musik zelebriert und „Glaubenskraft!“ ruft.
Gutes Stichwort. Besagter Song hat ja durchaus einen ernsten Hintergrund.
Den hat er absolut. Wir sind keine Band, die sich politisch äußert. Als Privatpersonen natürlich schon, aber eben nicht in unserer Musik. In diesem Fall – man muss dazu auch sagen, dass das ein sehr zynischer Text ist – waren wir aber fassungslos über den Umgang der katholischen Kirche mit den Missbrauchsfällen in ihren Reihen. Ich habe kürzlich mit einem Kollegen aus Kanada gesprochen, der mir berichtete, dass es das auch dort gab. Wie all das unter den Tisch gekehrt wird, wie Ermittlungen nicht erlaubt werden, dass Gutachten ignoriert werden, wie Opfer de facto zweimal leiden müssen, hat uns derart sprachlos gemacht, dass wir uns nahezu gezwungen sahen, das zu thematisieren. Das Wort „Glaubenskraft“ haben wir dafür bewusst gewählt, weil es eine gewisse Doppeldeutigkeit hat: einerseits die positive Seite für Leute, die aus ihrem Glauben Kraft ziehen, andererseits aber auch die Idee, so lange an etwas zu glauben, bis es zu einer eigenen Wahrheit wird. Aber auch bei diesem Song gilt: „Glaubenskraft“ kannst du bei unseren Konzerten und bei Bullhead City einfach so mitschreien. Ich freue mich jetzt schon, wie die Leute in anderen Ländern es aussprechen werden.
„Und dann habe ich mir die Tränchen aus dem Auge gewischt.“
Über Konzerte wollen wir natürlich hier auch reden. Du hattest bereits erzählt, dass ihr eure letzte Tour vorzeitig abbrechen musstet, seitdem standet ihr nicht mehr auf der Bühne. Wie seid ihr damit umgegangen, dass ihr nicht live spielen konntet?
Ich persönlich hatte da einen ganz entscheidenden Moment. Ich habe mir bei einem Glas Wein ein paar YouTube-Videos unserer Konzerte angesehen. Dabei bin ich auf ein Video aus dem Publikum bei „Where The Wild Wolves Have Gone“ auf dem W:O:A 2019 gestoßen. Ich hatte von der Bühne aus gesehen, wie die Handykameras angingen und die Lichter aufleuchteten. Was ich natürlich noch nie gesehen habe, ist, wie das aus der Publikumsperspektive aussieht mit diesen großen Leinwänden, den zahlreichen Lichtern, den Menschen, die nah beieinanderstehen. Diese unfassbare Energie, die auf einmal auf diesem Feld herrschte! Mir kommen jetzt schon wieder ein paar Tränchen beim Gedanken daran. Das sah ich also auf meinem Mac und dachte: „Ey, Abstand halten ist das Gebot der Stunde!“ Hier waren wir aber alle eins, die Metal-Welt war vereint und alles war gut. Das hat mich doch schon sehr sentimental gemacht, muss ich gestehen. Und dann habe ich mir die Tränchen aus den Augen gewischt und mir gesagt: „So. Ich kann mich jetzt hängen lassen, ich kann aber auch positiv denken und weitermachen, weitermachen, weitermachen. Der Zeitpunkt wird kommen, an dem wir wieder auf der Bühne stehen, und der wird großartig sein.“ Solche Momente haben wir alle, Musiker:innen wie Fans. Für mich war es also dieses Video. Normalerweise motze ich ja, wenn die Leute die Handys hochhalten und filmen, aber in dem Fall fand ich es richtig cool.
Du hast es schon angesprochen: Der Punkt wird kommen, an dem ihr wieder auf der Bühne steht. Nun wird „Call Of The Wild“ am 18. September 2021 bei Bullhead City seine Live-Premiere feiern.
Dafür bin ich den Veranstaltern so dankbar. Wenn du das Gefühl hast, dass die diesjährige Festivalsaison praktisch schon gelaufen ist, kommen die Jungs und Mädels aus dem hohen Norden um die Ecke und stampfen da so eine Idee aus dem Boden. Ich habe gen Wacken gekniet. Ich hatte das Gefühl: Wenn es jemand möglich machen kann, dann die Leute da oben in Schleswig-Holstein. Die Nachricht hat mich zutiefst erleichtert und mir ein Gefühl von Erlösung und purer Freude beschert. So war es wirklich. Dass das auch noch mit unserem neuen Album zusammenfällt, passt für mich wie die Faust aufs Auge.
Wie bereitet ihr euch denn auf die Show vor?
Wir beginnen genau jetzt zu proben und haben schon Vorproduktionstage gebucht und eingeplant, an denen wir die gesamte Powerwolf-Bühne aufbauen und alles für die Live-Situation testen. Es ist schließlich wichtig zu wissen, an welcher Stelle das Feuer hoch geht, da sollte man dann natürlich nicht stehen. Genau solche Dinge setzen wir derzeit ganz konkret um. Das ist bei uns ziemlich aufwändig, weil wir eine aufwändige Show fahren. Und auch das macht schon so Bock, da spreche ich für die gesamte Crew. Darüber hinaus ist auf der Bühne zu stehen nicht ganz wie Fahrradfahren. Ich glaube, wir werden nach so langer Zeit schon etwas nervöser sein als sonst, die Bühne zu betreten. Ich glaube aber auch, dass auf dem Bullhead City eine greifbare Magie in der Luft liegen wird, und zwar bei allen Bands. Dieses Gefühl, wieder zurück in Wacken zu sein wird für alle wunderbar werden.
Es wird also Feuer geben. Kannst du noch ein wenig mehr anteasern, worauf die Leute sich noch freuen können?
Da sind wir gerade in der Detailplanung, viel kann ich noch nicht verraten. Darauf wollte ich mit der Anekdote vorher aber auch hinaus: Wir hatten geplant, dass ich bei „Where The Wild Wolves Have Gone“ mit dem brennenden Klavier an der Bühnenkante stehe. Was wir nicht planen konnten war, dass die Leute ein Lichtermeer erstrahlen lassen würden. Unsere Shows lassen solche spontanen Momente zu. Es wird oft gesagt, die Konzerte durchchoreographiert, und natürlich müssen sie das sein, etwa wenn Feuer im Spiel ist. Aber es gibt darüber hinaus so viel Raum für Interaktionen mit den Fans, den wir bewusst offen lassen. Was da dann passiert, kann niemand planen – und genau da entstehen die magischen Erlebnisse, die für immer in Erinnerung bleiben.
Damit hast du mir jetzt eine Steilvorlage geliefert. Darf ich abschließend zwei Wünsche für eure Bullhead City-Show äußern? Erstens: Spielt ihr bitte „Blood For Blood“?
Das ist sehr gut möglich, den betrachte ich als einen der stärksten Live-Songs des Albums. Da habe ich schon vor meinem geistigen Auge, wie es sein könnte, wenn wir den zum ersten Mal live spielen.
So geht es mir nämlich auch und daher mein zweiter Wunsch: Holt ihr dazu bitte jemanden mit Dudelsack auf die Bühne?
Das wäre eine gute Idee! Die Stimmung eines Dudelsacks könnte dabei ein Problem sein, die ist nicht ganz so flexibel, wie es unsere Tonarten oft sind. Aber wir kucken mal, ob das möglich ist.
Das wäre super! Ganz herzlichen Dank für das Gespräch, wir sehen uns bei Bullhead City!
Wir sehen uns bei Bullhead City!
Ihr wollt sehen, ob es mit dem Dudelsack klappt und vor allem die Magie von Powerwolf live in Wacken erleben?
Tickets für Bullhead City findet ihr bei Metaltix (hier klicken)! Dort bekommt ihr auch Tickets für die Tour von Powerwolf im Oktober (dafür hier klicken)!
Und nicht vergessen, zur Einstimmung das neue Album „Call Of The Wild“ zu kaufen – am besten geht das über powerwolf.napalmrecords.com!
Ihr wollt einen weiteren Vorgeschmack auf die Platte? Schaut euch jetzt das brandneue Lyric-Video zu „Blood For Blood (Faoladh)“ an!